Gesehen - Gehört

Bönen: Steppenkiebitz, 01.-06.04.2024 (Hartmut Brecher, Malte Busch, Gisbert Herber-Busch, Stefan Helmer, Roben Hirschberg, Frederik Holthoff, Hermann Knüwer, Björn Nikula, Hartmut Peitsch, Clemens Rethschulte, Marvin Stahl, Ralf Volmer, Gregor Zosel, Melder: B.Glüer)

Vorweg einige Bemerkungen zu dieser seltenen Ausnahmebeobachtung. Jeder Vogelbeobachter kennt sicher den inneren Konflikt beim Fund ganz besonderer Raritäten zwischen dem Wunsch, die Freude über eine solche Entdeckung sofort zu teilen und sie publik zu machen und dem Bedürfnis, nicht gleichzeitig einen Ansturm auf den seltenen Gast auszulösen, der diesen möglicherweise schnell vertreibt. Hier kam hinzu, dass der Beobachtungsort auf einem Brutfeld von Kiebitzen mit mindestens 4 Brutpaaren und insgesamt bis zu 12 anwesenden Kiebitzen lag. Deren Nester liegen teils im Nahbereich angrenzender Wege und wären durch einen Beobachteransturm ebenfalls gefährdet worden. So wurde dann der Fund nur in kleinem Kreis kommuniziert und kommt jetzt erst nachträglich zur Veröffentlichung. Dass der Vogel erstaunliche 6 Tage vor Ort blieb, spricht für das umsichtige Verhalten aller hier genannten Beobachter. Die Beobachtung aus dem Auto heraus ermöglichte weitgehend störungsfreie Einblicke aus teils weniger als 30 Metern.

Bei der Suche nach Kiebitznestern per Fernglas auf einer Stoppelbrache im Gewerbegebiet „Am Mersch“/Bönen wurde der adulte Steppenkiebitz am 01.04. erstmals entdeckt. Der Fund war sicherlich ein großer Zufall, denn mit der beige-braunen Grundfärbung war der Vogel zwischen den gleichfarbigen Getreidestoppeln fast unsichtbar. Größtenteils verharrte dieser auch völlig bewegungslos und ging nur in größeren Zeitabständen der Nahrungssuche nach. Wegen des meist regnerischen Wetters fanden sich auf dem vernässten Feld reichlich Regenwürmer, die dann schnell zur Sättigung und erneut zu Ruheverhalten mit ausgiebiger Gefiederpflege führten. Gelegentlich kam es zu mehr oder weniger heftigen Attacken gegen den Steppenkiebitz durch die immer wieder balzenden Kiebitze, die ihn dann über das Feld trieben. Das schien ihn jedoch nicht ernsthaft zu stören. Vielmehr wird auch bei anderen Steppenkiebitznachweisen immer wieder erwähnt, dass die Vögel die Gesellschaft von Kiebitzen suchen. In unserem Fall wurde der Vorteil dieses Verhaltens auch immer wieder erkennbar, wenn beim Auftauchen potentieller Prädatoren vor allem die sehr wachsamen Kiebitzmännchen sofort aufstiegen, um diese dann zu attackieren und zu vertreiben.

Für NRW werden in „Seltene Vögel in Nordrhein-Westfalen“, Avifaunistische Kommission Nordrhein-Westfalen (NWO), 2017, seit 1963 bisher 18 Nachweise des Steppenkiebitzes aufgelistet. Davon liegt keiner im Kreis Unna. Für mich persönlich ist es nach einer Beobachtung vor 43 Jahren auf dem „Rothen Feld“ bei UN-Westhemmerde (unveröffentlicht) die zweite Sichtung im Kr. UN. Aktuell gab es durch C. Härting am 28.03. auch im Nachbarkreis Soest (Ahsewiesen) einen Nachweis eines adulten Steppenkiebitzes (vielleicht derselbe Vogel?). Mindestens eine weitere Meldung im mitteleuropäischen Raum gibt es aus Sachsen-Anhalt (Athensleben) vom 29.03. und 06.04.24.

Die Brutheimat des Steppenkiebitzes liegt in den Steppen von Südrussland und Kasachstan. Von dort zieht er zur Überwinterung vor allem nach Pakistan, Indien, dem Sudan und evtl. auch nach Nordwestafrika, so dass sowohl auf dem Frühjahrs- wie auch auf dem Herbstzug immer wieder einzelne Nachweise in Mitteleuropa gelingen. Die Weltpopulation gilt laut AviKom als rapide abnehmend.

Außergewöhnlicher Gast aus den fernen Steppen Südrusslands und Kasachstans in Bönen: Adulter Steppenkiebitz …, 04.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… als Rastplatz hat er sich für mindestens 6 Tage diese nasse Ackerbrache inmitten des Bönener Industriegebietes „Am Mersch“ ausgesucht. Der rote Kreis zeigt seinen Ruheplatz während diese Aufnahme entsteht …, 05.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… die immer wieder vorbeifahrenden Schwerlaster und Pkw scheinen ihn nicht zu stören. So erwies sich auch die Beobachtung aus dem Auto heraus als relativ unproblematisch …, 05.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… mit etws Glück kommt er dem eigenen Auto immer mal relativ nah …, 01.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… und ermöglicht einige Einblicke in sein Verhalten: ähnlich, wie auch unsere Kiebitze, verweilt er bei der Nahrungssuche oft auf einem Bein, während das andere zitternde Trippelbewegungen macht, mit denen offenbar Regenwürmer aufgescheucht werden …, 01.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… dass funktioniert auch immer wieder gut …, 01.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… kurze Flugstrecken werden eigentlich immer unfreiwillig zurückgelegt …, 05.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… wenn nämlich einer der auf dem Feld immer wieder balzenden Kiebitze den Steppenkiebitz als „Störenfried“ empfindet und diesen dann vor sich hertreibt …, 05.04.2024 (Foto: Bernhard Glüer)
… dann geht es zwar kreuz und quer über das ganze Feld …, 02.04.2024 (Foto: Hermann Knüwer)
… doch die Sorge, dass er ganz entschwindet, erweist sich stets als unbegründet …, 02.04.2024 (Foto: Frederik Holthoff)
… auch direkt neben einem vorbeidonnernden LKW wird wieder ein „ruhiger“ Landeplatz gefunden …, 02.04.2024 (Foto: Hermann Knüwer)
… hier wird auch mal die Flucht vor einem herannahenden Kiebitz zu Fuß angetreten. Dass er dabei dem Fotograf im Auto immer näher kommt, stört offenbar nicht, 05.04.2024 (Foto: Clemens Rethschulte)